Monument des Monopols.

Wegen der Sichtverbindung zu den umliegenden Sendetürmen wuchs an der Stadtgrenze zu Ostermundigen ein Hochhaus in den Berner Himmel: Das Forschungs- und Versuchszentrum PTT. Es entstand in einer Zeit, als der Bundesbetrieb auf alle Fernmeldedienstleistungen das Monopol hatte.

Text: Werner Huber

Foto: Carlo Galli, Zeitraum 1985-1990, Museum für Kommunikation, FFF_12803
Foto: Carlo Galli, Zeitraum 1985-1990, Museum für Kommunikation, FFF_12803

Seit über fünfzig Jahren ragt am Stadtrand von Bern, an der Grenze zu Ostermundigen, ein schlankes Betonhochhaus mit markanten Gitterfassaden 85 Meter in die Höhe: das Forschungs- und Versuchszentrum der früheren PTT-Betriebe. Im Bundesbetrieb waren alle Kommunikationsdienstleistungen gebündelt: Post, Telefon und Telegraf. Das Hochhaus entstand für den TT-Teil, also die zunächst elektrische, später elektronische und digitale Kommunikation. Für ihre Versuche mit der Richtstrahltechnik waren die Ingenieure auf direkte Sichtverbindungen zum Jungfraujoch, zum Bantiger und zum Chasseral angewiesen. Es waren also nicht primär architektonische Gründe, die zum Hochhaus führten, sondern die Nutzung.

Für ihre Versuche mit der Richtstrahltechnik waren die Ingenieure auf direkte Sichtverbindungen zum Jungfraujoch, zum Bantiger und zum Chasseral angewiesen. Es waren also nicht primär architektonische Gründe, die zum Hochhaus führten, sondern die Nutzung.

Aber der Betonturm kann auch als Machtsymbol gelesen werden, schliesslich hatten die PTT die Durchsetzungskraft, um an diesem Ort ein Hochhaus bauen zu dürfen. Doch demonstrieren mussten die PTT ihre Macht damals nicht – sie war einfach da: das Monopol.

1967 Baubeginn Hochhaus
1973 Einweihung am 1. Februar
1998 Definitive Auflösung der PTT, Aufteilung in Post und Swisscom
2001 Swisscom verkauft Hochhaus
2014 Swisscom verlässt Hochhaus
2017 Zwischennutzung des Hochhauses durch Kunst und Kultur
2019 Meldung, dass Hochhaus zu Wohnhaus wird
2020 Kunstwerk von Shirana Shahbazi an der Aussenwand

Alles aus einer Hand

Welches Handy solls denn sein? Und bei wem soll ich das Abo lösen? Wer kennt nicht die Qual der Wahl im Mobilfunkladen. Früher war das einfacher. Mobiltelefone und Internet waren noch nicht erfunden. Das Festnetz hiess einfach Telefon, und bewegte Bilder flimmerten nur über den Fernsehapparat ins Haus, zunächst schwarz-weiss, später farbig. Zu wählen gab es dabei wenig, denn die PTT hatten alles in der Hand. Ein Telefon konnte man nicht kaufen, man musste den Apparat bei den PTT mieten. Dabei beschränkte sich die Auswahl bis weit in die 1960er-Jahre im Wesentlichen auf ein Stand- und ein Wandmodell aus schwarzem Bakelit. 

Der Betonturm kann auch als Machtsymbol gelesen werden, schliesslich hatten die PTT die Durchsetzungskraft, um an diesem Ort ein Hochhaus bauen zu dürfen. Doch demonstrieren mussten die PTT ihre Macht damals nicht – sie war einfach da: das Monopol.

Die Anfänge des Fernmeldemonopols gehen zurück auf die Gründung des Bundesstaates. Nach 1848 wurden die kantonalen Postverwaltungen zur schweizerischen Post zusammengefasst und im Post- und Baudepartement angesiedelt. 1874 wurde das Telegrafenwesen Bundessache, drei Jahre später unterstellte der Bundesrat auch das neu aufkommende Telefon dem Telegrafenmonopol. Daran sollte sich in den nächsten 120 Jahren wenig ändern.

Mit imposanten Postpalästen in den Kantonshauptorten drückte die Post ihr Selbstverständnis als Bundesbetrieb in Architektur aus. Auch später setzten die PTT architektonische Akzente: die Sihlpost und das Fernmeldezentrum Herdern in Zürich, die Schanzenpost und die PTT-Generaldirektion in Bern, die Sortierzentren in Schlieren, Lausanne oder Genf. Auch die Sendetürme, vom Ulmizberg zum Uetliberg, vom Bantiger bis zum Säntis, standen unter der Regie der PTT. Denn der Bundesbetrieb war auch für die Verbreitung der Fernseh- und Radiosignale zuständig.

Auf dem Dach des Hochhauses prüfen Mitarbeiter einen neuen Antennenstandort mithilfe eines Modells des Monte Ceneri.
Foto: Friedrich Engesser, 1972, Museum für Kommunikation, FFF_19398
Auf dem Dach des Hochhauses prüfen Mitarbeiter einen neuen Antennenstandort mithilfe eines Modells des Monte Ceneri. Foto: Friedrich Engesser, 1972, Museum für Kommunikation, FFF_19398
Drei Telefonkabinen Typ Tobtel 90 vor dem PTT-Hochhaus.
Foto: Carlo Galli, Zeitraum 1992-1998, Museum für Kommunikation, FFF_12772
Drei Telefonkabinen Typ Tobtel 90 vor dem PTT-Hochhaus. Foto: Carlo Galli, Zeitraum 1992-1998, Museum für Kommunikation, FFF_12772

Am Anfang war der Leitungsbau

Doch man soll nun nicht denken, der Monopolbetrieb sei träge gewesen. Mit der technischen Entwicklung hielten auch die PTT und ihre Ingenieure Schritt. Davon zeugt das Hochhaus am Stadtrand von Bern. «Forschung und Entwicklung» hiess die Abteilung, die 1972 in den Neubau einzog. Diese hatte ihre Wurzeln in der Versuchssektion der Telefonabteilung, die 1944 direkt der Generaldirektion unterstellt wurde. Daraus wurde später die Abteilung Forschung und Versuche, aus der sich der Projektnamen V-Hochhaus ableitete, weil darin zahlreiche Labors vorgesehen waren.

Mit diesem Hochhaus setzten die PTT den Schlussstein in einer Entwicklung, die 65 Jahre zuvor begonnen hatte: 1908 bewilligten die Eidgenössischen Räte einen Kredit von 98'000 Franken für den Kauf von knapp 10'000 Quadratmetern Land von den Ostermundiger Steinbrüchen in Liquidation. Sechs Jahre später genehmigte das Parlament eine gute halbe Million Franken für den Bau eines Magazingebäudes. 1916 war das «Linienbaumaterial-Zentralmagazin» fertiggestellt. Wie das Wortungetüm – später zu «Linienmagazin» verkürzt – sagt, lagerte darin alles, was es für den Bau von Telegrafen- und Telefonleitungen brauchte, schweizweit.

In seinen Anfängen war das Lager im Gebäude der Telegrafenverwaltung (heute Haus der Kantone) an der Speichergasse in der Berner Innenstadt untergebracht, später wurde der grösste Teil nach Kehrsatz ausgelagert. 276 Bahnwagen waren nötig, um das Material in den Neubau an die Ostermundigenstrasse zu transportieren. Angesichts der rasanten Entwicklung der Telefonie platzten die neuen Räume bald aus allen Nähten. 1920 kauften die PTT deshalb die angrenzende «Meyersche Besitzung» – schon jenseits der Stadtgrenze – und erweiterten ihr trapezförmiges Grundstück zum Dreieck. Das brachte aber nur wenig, und so kauften die PTT-Betriebe Ende der 1940er-Jahre der Burgergemeinde Bern die westlich ans bisherige Grundstück angrenzende Parzelle ab, eine ehemalige Kiesgrube. Als erste Neubauten entstanden in den 1950er-Jahren neben dem Magazin zwei Lagerhäuser mit Shedhalle. Darin fanden die Lagerverwaltung, die Telegrafen- und Telefonwerkstatt und die Apparateprüfung Platz – alles Bereiche, die bisher an der Speichergasse untergebracht waren.

Das «Linienbaumaterial-Zentralmagazin» von 1916 ist in den Formen des Heimatstils gestaltet.
Foto: 1981, PTT-Archiv_Tele-195-0003-03(1)
Das «Linienbaumaterial-Zentralmagazin» von 1916 ist in den Formen des Heimatstils gestaltet. Foto: 1981, PTT-Archiv_Tele-195-0003-03(1)
1955 entstanden die zwei Lagerhäuser mit dazwischenliegender Shedhalle für das Linienlager und Zentralapparatemagazin.
Foto: um 1955, PTT-Archiv_Tele-195-0003-03(2)
1955 entstanden die zwei Lagerhäuser mit dazwischenliegender Shedhalle für das Linienlager und Zentralapparatemagazin. Foto: um 1955, PTT-Archiv_Tele-195-0003-03(2)

Stürmische Entwicklungen

In der Boomzeit nach dem Zweiten Weltkrieg überlagerten sich mehrere Entwicklungen, die die räumliche Situation der PTT-Betriebe in Bern immer prekärer machten. So wuchsen sämtliche Postdienstleistungen – Briefe, Pakete, Zeitungen, Einzahlungen, Postcheck und Postauto – sowie der Fernmeldeverkehr massiv an. Allein dieses Wachstum verschärfte die Platznot in den PTT-Gebäuden in der Berner Innenstadt. Neben der Hauptpost am Bollwerk und dem Telegrafengebäude an der Speichergasse waren das die frühere Kavalleriekaserne und das Transitgebäude auf der anderen Seite des Bollwerks, direkt am Bahnhof. Diese beiden Bauten mussten in den 1960er-Jahren dem Neubau des Bahnhofs weichen. Für den Postbetrieb entstand die über den Gleisen angelegte Schanzenpost. Die Generaldirektion bezog einen Neubau an der Viktoriastrasse, die Automobilwerkstätte zog nach Bümpliz, der Checkdienst in die Engehalde. Für den Lochkartendienst, die Forschungs- und Versuchsanstalt sowie für den Wertzeichen- und den Drucksachendienst war der Standort Ostermundigenstrasse vorgesehen.

In der Boomzeit nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsen sämtliche Postdienstleistungen – Briefe, Pakete, Zeitungen, Einzahlungen, Postcheck und Postauto – sowie der Fernmeldeverkehr massiv an. Allein dieses Wachstum verschärfte die Platznot in den PTT-Gebäuden in der Berner Innenstadt.

Bereits Mitte der 1950er-Jahre hatte der bekannte Architekt Hans Brechbühler für das Areal am Stadtrand ein Projekt für die Forschungs- und Versuchsanstalt entwickelt. Dabei orientierte er sich nicht an der unmittelbaren Umgebung, er dachte in grösseren räumlichen Zusammenhängen. Ans Ende der baumbestandenen Ostermundigenstrasse setzte er das 15-geschossige V-Hochhaus als vertikalen Akzent. An die Kante der früheren Kiesgrube, von der Strasse abgerückt, stellte er einen Flachbau für die Administration und den Liniendienst. Im Winkel zwischen den beiden Bauten sah er eine Grünanlage vor. 

Mit der Zeit wuchs das Raumprogramm an. 1956 beauftragte die Direktion der Eidgenössischen Bauten (D+B), die bis 1965 auch die PTT-Bauten verantwortete, drei Architekturbüros mit der Projektierung mehrerer Neubauten. Hans Brechbühler konnte das Hochhaus weiterplanen. Die Architektengemeinschaft Frey & Egger und Hans Andres erhielten den Auftrag für ein Betriebsgebäude für die Wertzeichendruckerei und die Lochkartenverarbeitung und für ein Wohlfahrtsgebäude mit Personalrestaurant. Die Architekten Carl Päder und Max Jenny konnten die Erweiterung des Linienmagazins planen.

1957 legte ein betriebswirtschaftlicher Bericht die Gründe für das 45-Millionen-Projekt dar und stellte das Gesamtprojekt vor. In der Grunddisposition entsprach es weitgehend den anschliessend in Etappen ausgeführten Bauten. Die Erweiterung des Linienmagazins ist an die Lagerhäuser aus den 1950er-Jahren angedockt. An der Ostermundigenstrasse bilden das langgestreckte, bloss dreigeschossige Betriebsgebäude und das auf 19 Vollgeschosse angewachsene Hochhaus ein eigenständiges Ensemble. Um Platz für den Flachbau zu schaffen, war das Hochhaus in Richtung Ostermundigen gerückt; die schlanke Gestalt, der aufgeständerte Sockelbereich und der architektonische Ausdruck wurden beibehalten. Anstelle der Grünanlage band nun eine Terrasse Hochhaus und Flachbau zusammen.

Modell des Gesamtprojekts von 1957.
Foto: 1957, PTT-Archiv_OK-0117
Modell des Gesamtprojekts von 1957. Foto: 1957, PTT-Archiv_OK-0117
Die Luftaufnahme von 1947 zeigt die ehemalige Kiesgrube, auf der die PTT ihre Erweiterungsbauten erstellen werden.
Foto: 27.5.1947, Eidgenössische Landestopografie, PTT-Archiv_Tele-195-0003-01 (1)
Die Luftaufnahme von 1947 zeigt die ehemalige Kiesgrube, auf der die PTT ihre Erweiterungsbauten erstellen werden. Foto: 27.5.1947, Eidgenössische Landestopografie, PTT-Archiv_Tele-195-0003-01 (1)

Das Hochhaus stockt

Im März 1958 bewilligten die Eidgenössischen Räte den Kredit für das Gesamtprojekt. Als erstes wurde 1962 das Linienmagazin fertiggestellt. Anschliessend erstellten Frey, Egger + Peterhans Architekten, wie das Büro seit 1960 hiess, als erste Etappe ihres Projektteils das als «Dienstküche» bezeichnete Wohlfahrtsgebäude. Dabei erlebten sie eine böse Überraschung: Der Baugrund war weniger tragfähig als erhofft. Offenbar war die ehemalige Kiesgrube als Abfalldeponie genutzt worden, und beim Aushub kamen alte Militärutensilien wie Gamellen zum Vorschein.

Frey, Egger und Peterhans setzten vor die Fensterflächen an den Längsseiten und der Südfassade ein Betongitter als Sonnenschutz und Wartungssteg. Dieses filigrane Gitter und der Kontrast zu den geschlossenen Wandflächen sind das herausragende Gestaltungsmerkmal des PTT-Hochhauses. Eine solche Brise-soleil-Konstruktion hatte Le Corbusier erstmals 1942 für sein Hochhausprojekt in Algier gezeichnet.

Nach vertieften geologischen Abklärungen beschloss man, beim Wohlfahrtsgebäude und beim Betriebsgebäude ein zusätzliches Untergeschoss zu bauen. Dies hatte den Vorteil, dass man die bis anhin als separates Bauwerk geplante Heizzentrale integrieren konnte. 1967 konnten die Wertzeichendruckerei, die alle Briefmarken der PTT druckte, und die Lochkartenverarbeitung in den Neubau einziehen. Weil inzwischen der Computer Einzug gehalten hatte, hiess die Abteilung nun Elektronisches Rechenzentrum ERZ. Auch im Untergeschoss machte sich der Fortschritt bemerkbar: War zu Baubeginn noch eine wahlweise mit Kohle oder Erdöl zu beschickende Heizung vorgesehen, wurde während der Bauarbeiten der Kohlebunker zu einem Lagerraum umfunktioniert und die Heizung ausschliesslich für die Ölfeuerung konstruiert.

Während der Bau des Betriebsgebäudes vorankam, harzte es bei der Planung des Hochhauses. Offenbar wurde sich die Abteilung Forschung und Versuche mit dem Architekten Hans Brechbühler über Detailfragen nicht einig. Schliesslich schlug die D+B vor, dass sich Brechbühler mit Frey, Egger und Peterhans zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenschliessen solle. Damit war Brechbühler jedoch nicht einverstanden. So wurde das Büro Frey, Egger und Peterhans Ende 1965 auch mit der Planung und Ausführung des Hochhauses betraut. 

Im Flachbau arbeitet der Anlagechef via einer Bedienungskonsole mit dem Computer (IBM 2050 Zentraleinheit zu Computersystem IBM 360-50).
Foto: Arthur Vogt, 1970, Museum für Kommunikation, FFF_09376
Im Flachbau arbeitet der Anlagechef via einer Bedienungskonsole mit dem Computer (IBM 2050 Zentraleinheit zu Computersystem IBM 360-50). Foto: Arthur Vogt, 1970, Museum für Kommunikation, FFF_09376
Im Sommer 1969 hat das Hochhaus die Höhe des 8. Stockwerks erreicht.
Foto: 7.7.1969, PTT-Archiv_Tele-195-0003-01 (2)
Im Sommer 1969 hat das Hochhaus die Höhe des 8. Stockwerks erreicht. Foto: 7.7.1969, PTT-Archiv_Tele-195-0003-01 (2)

Wer hat’s erfunden?

Geschosszahl und Volumetrie änderten sich mit dem Architektenwechsel nicht; auch die innere Aufteilung blieb im Wesentlichen gleich. Doch wie kam der Turm zu seiner charakteristischen Gitterfassade? Bereits Brechbühler hatte die Räume im Gebäudekopf gegen die Ostermundigenstrasse nicht über Eck orientiert, sondern ausschliesslich Richtung Süden. Dies führte zu den markanten geschlossenen Fassadenpartien an den beiden Längsseiten.

Frey, Egger und Peterhans setzten vor die Fensterflächen an den Längsseiten und der Südfassade ein Betongitter als Sonnenschutz und Wartungssteg. Dieses filigrane Gitter und der Kontrast zu den geschlossenen Wandflächen sind das herausragende Gestaltungsmerkmal des PTT-Hochhauses. Eine solche Brise-soleil-Konstruktion hatte Le Corbusier erstmals 1942 für sein Hochhausprojekt in Algier gezeichnet. Zehn Jahre später konnte er sie an der Unité d’habitation in Marseille umsetzen. Der Kontrast zwischen dem filigranen Gitter und den geschlossenen Betonscheiben und der auf Stützen aufgeständerte Baukörper prägen das PTT-Hochhaus wesentlich.

Der Kontrast zwischen dem filigranen Gitter und den geschlossenen Betonscheiben und der auf Stützen aufgeständerte Baukörper prägen das PTT-Hochhaus wesentlich.

Dass sich die Architekten Frey, Egger und Peterhans von «Corbu» inspirieren liessen, ist offensichtlich. Auf den berühmten Architekten hatten sie sich bereits beim Stadthaus von Olten bezogen. Als bekanntestes Werk des Büros entstand dieses zwischen 1963 und 1966, während die Planung in Bern auf Hochtouren lief. Und was blieb von Brechbühlers Entwurf übrig? Am Ende eine ganze Menge. Bereits seine frühen Skizzen zeigten am Hochhaus eine fast identische Fassadengliederung, die zumindest an der schmalen Südfassade sogar einen Brise-soleil erkennen lassen. In späteren Zeichnungen war dieser Raster wieder verschwunden, dafür stiessen an den Längsseiten die Fensterpartien leicht über die geschlossenen Fassadenteile hinaus – so wie es als vorgesetzte Elemente auch die Brises-soleil tun.

Blick von unten entlang der Südfassade des Hochhauses.
Foto: Werner Huber, 24.4.2009
Blick von unten entlang der Südfassade des Hochhauses. Foto: Werner Huber, 24.4.2009
Das fertiggestellte Hochhaus ziert das Titelbild der Zeitschrift «PTT Mitteilungen».
Foto: PTT Mitteilungen, 5/1973
Das fertiggestellte Hochhaus ziert das Titelbild der Zeitschrift «PTT Mitteilungen». Foto: PTT Mitteilungen, 5/1973

Farbfernsehen und Autotelefon

Die Einweihung des Gebäudes Forschung und Entwicklung am 1. Februar 1973 war ein Grossereignis, umrahmt von Darbietungen des Bläserquintetts des PTT-Orchesters. 118 Personen verzeichnete die Gästeliste, darunter gerade mal zwei Frauen: eine nicht näher benannte Frau Letzkus von den Eidgenössischen Behörden und Ruth Geiser, die Baudirektorin der Stadt Bern. Sie war im Jahr zuvor als erste Frau in die Berner Stadtregierung gewählt worden und vertrat den Stadtpräsidenten Raymond Tschäppät.

Einweihungsakt für das Gebäude Forschung und Entwicklung (V-Hochhaus) im neuen Hörsaal. Die einzige Frau unter den Männern: Gemeinderätin Ruth Geiser.Foto: Walter Studer, 1.2.1973, Museum für Kommunikation, FFF_62030

 

In ihren Ausführungen betonten die Verantwortlichen der PTT immer wieder die Bedeutung der Forschung und Entwicklung «auf dem Gebiet der Wellenausbreitung und Frequenzökonomie», wie Generaldirektor Fritz Locher an der Pressekonferenz sagte. Die Abteilung sei aktiv an der Erprobung der unterschiedlichen Farbfernseh-Systeme beteiligt gewesen, sodass die PTT das für die Schweiz geeignetste auswählen konnten. Die Sektion Richtfunktechnik arbeitete damals an zwei Projekten der drahtlosen Kommunikation: Mit dem selektiven Funkruf, später bekannt als Pager, konnte man jedem Empfänger eine kurze Nachricht zuschicken, worauf er sich telefonisch beim Absender melden konnte. Auch das nationale Autotelefon war damals in Entwicklung, dessen Kurzform Natel eine ganze Mobiltelefongeneration prägen sollte.

1973 stellten die Ingenieure in Aussicht, was heute alltäglich ist: «Der mobile Teilnehmer wird praktisch die gleichen Möglichkeiten erhalten, wie ein gewöhnlicher Telephonabonnent des Drahtnetzes. Durch die übliche Nummernwahl können sie zudem gegenseitig in Sprechverbindung treten». An dieser drahtlosen Nachrichtentechnik wurde in den oberen Geschossen des Hochhauses gearbeitet, in den mittleren Geschossen war die leitergebundene Nachrichtentechnik untergebracht. Leiter- und nicht etwa drahtgebunden deshalb, weil hier auch an der Datenübertragung via Glasfaserkabel geforscht wurde. Fünf Jahre werde es mindestens noch gehen, bis diese Technik einsatzbereit sei, hiess es 1973.

Die unteren Geschosse des Hochhauses dienten den Chemie- und Physiklabors, im 10. Obergeschoss logierte die Direktion, im 11. war die Computeranlage installiert. Auf dem Dach ermöglichte ein nach allen Seiten offenes Deck Untersuchungen in der drahtlosen Nachrichtenübertragung. Am nördlichen Aufbau gab es Galerien für Rund- und Richtfunkantennen, ein Kran gewährleistete das einfache Auswechseln der Antennen. In den Untergeschossen des Hochhauses waren Speziallabors eingerichtet: ein dick gepolsterter schalltoter Raum, ein mit Blechscheiben ausgestatteter Hallraum, ein Hochspannungslabor und eine Klimakammer. Ausserdem war hier ein 200-plätziges Auditorium eingerichtet, das direkt von der Strasse her zugänglich war. 

In den Untergeschossen des Hochhauses waren Speziallabors eingerichtet: ein dick gepolsterter schalltoter Raum, ein mit Blechscheiben ausgestatteter Hallraum, ein Hochspannungslabor und eine Klimakammer. Ausserdem war hier ein 200-plätziges Auditorium eingerichtet, das direkt von der Strasse her zugänglich war.

 

Forscher arbeiten im Glasfaser-Labor im Hochhaus.
Foto: Zeitraum 1980-1990, Museum für Kommunikation, FFF_13043
Forscher arbeiten im Glasfaser-Labor im Hochhaus. Foto: Zeitraum 1980-1990, Museum für Kommunikation, FFF_13043
Ein Angestellter beim Installieren eines Mikrofons im schalltoten Raum im Untergeschoss.
Foto: Walter Studer, 1973, Museum für Kommunikation, FFF_62033
Ein Angestellter beim Installieren eines Mikrofons im schalltoten Raum im Untergeschoss. Foto: Walter Studer, 1973, Museum für Kommunikation, FFF_62033

Das Monopol wankt – und bricht

Knapp zwanzig Jahre nach der Einweihung des Forschungsgebäudes geriet das Monopol ins Wanken. Anfang der 1990er-Jahre wurden die bisherigen PTT-Betriebe aufgeteilt in die Post PTT und Telecom PTT. Das neue Fernmeldegesetz liberalisierte den Telefonmarkt, sodass Telefonapparate fortan frei im Handel erhältlich waren. Die Telecom PTT hoffte darauf, dass die Kundschaft aus Gewohnheit die lukrativen Mietverträge für die Telefonapparate weiterlaufen lässt oder zumindest einen neuen Apparat bei ihr kauft. Ein Vorteil blieb dem nach wie vor staatlichen Unternehmen: Kein Telefonmodell durfte ohne Prüfung in den Verkauf – und für die Prüfung der fremden Apparate gab es vorderhand nur ein Labor: an der Ostermundigenstrasse in Bern.

Anfang 1998 wurden die alten PTT-Betriebe definitiv aufgeteilt. Aus dem Telecom-Teil wurde die Swisscom. Am Hochhaus gingen diese Umwälzungen spurlos vorbei, zumindest äusserlich. Im Innern wurden die Labors mehrheitlich zu Büros umgebaut.

Anfang 1998 wurden die alten PTT-Betriebe definitiv aufgeteilt. Aus dem Telecom-Teil wurde die Swisscom, an der der Bund einen Anteil von gut 51 Prozent hält. 2001 verkaufte die Swisscom zahlreiche Liegenschaften aus ihrem umfangreichen Portfolio, darunter das Hochhaus. Sie blieb vorläufig als Mieterin, wie das Logo am Dachrand signalisierte. 2014 konnte die Swisscom ihren neuen Hauptsitz in Ittigen beziehen und verliess die Gebäude an der Ostermundigenstrasse. Das Hochhaus stand leer. Nachdem sich die Hoffnungen zerschlagen hatten, dass die Kantonspolizei hier ihre Zentrale einrichten könnte, überbrückte eine Zwischennutzung die Zeit bis zum Umbau. Ende 2017 zogen Kunstschaffende in das Gebäude ein und belebten die leeren Räume. 

2001 verkaufte die Swisscom das Hochhaus. Sie blieb vorläufig als Mieterin, wie das Logo am Dachrand signalisierte. 2014 verliess die Swisscom die Gebäude an der Ostermundigenstrasse. Das Hochhaus stand leer. Ende 2017 zogen Kunstschaffende in das Gebäude ein und belebten die leeren Räume. Zwei Jahre später wurde bekannt, dass aus dem Labor- und Bürohochhaus ein Wohnhaus werden soll.

Zwei Jahre später wurde bekannt, dass aus dem Labor- und Bürohochhaus ein Wohnhaus werden soll. Als eine der letzten Arbeiten der künstlerischen Zwischennutzung schuf Shirana Shahbazi das Kunstwerk «a bigger wall» – ein 40 Meter langes Keramikbild auf der Rückseite des Gebäudes. Genau dort, wo mit dem Linienbaumaterial-Zentralmagazin 105 Jahre zuvor die Telekommunikation auf dem Areal Fuss gefasst hatte. Im umgebauten Hochhaus wird Shahbazis Bild die Innenwände der Dachterrasse zieren.

Foto: 29.6.1971, Bildarchiv ETH, Com_F71-21057

Foto: 29.6.1971, Bildarchiv ETH, Com_F71-21057